Tassen klirren. Verschiedene Stimmen murmeln durcheinander, jemand lacht. Ein feiner Kaffeeduft schwebt über den kleinen Friedhof. Das ist doch keine Beisetzung? Vorne, am Eingang findet sich die Auflösung des Rätsels: "Seelenwärmerstunde" nennen die Initiatoren der Kirchengemeinde Hassel diesen Moment der Begegnung, der einmal im Monat in lockerer Runde vor der Kapelle "Zum Guten Hirten" auf dem Friedhof in Hämelhausen stattfindet. Eine Stunde "Kaffee, Kekse, Klönschnack und mehr": Die Kirchenvorstandsmitglieder Karin Lührs und Andrea Schumacher bieten dies immer am ersten Samstag im Monat allen an, die Lust auf eine kurze Auszeit haben.
"Unsere Kapelle wurde vor 40 Jahren als zweite Predigtstätte der Kirchengemeinde Hassel unter großem Arbeits- und Spendeneinsatz der Einwohner unseres 570-Seelen kleinen Dorfes Hämelhausen gebaut. Als Sakralgebäude finden hier auch heute noch Gottesdienste statt, allerdings bedingt durch Personalstreichungen bereits seit einigen Jahren viel seltener als am Anfang. Die Pandemie hat noch einmal mehr alles durcheinandergebracht", erzählt Andrea Schumacher.
"Seit 2019 gab es immer nach den Gottesdiensten noch Kaffee in der Kapelle. 'Plauderstündchen im Hirtenstübchen' haben wir das genannt und es war sehr beliebt", führt Karin Lührs weiter aus. "Mit Corona fiel das natürlich weg. Irgendwann waren wir mal an einem frühen Samstagnachmittag hier auf dem Friedhof und trafen einfach viele Menschen. 'Wir hätten mal Kaffee mitbringen sollen' war der erste Gedanke – damit war die Seelenwärmerstunde geboren.“
In Eigenarbeit entstand daraufhin das "Kaffeemobil". Getrunken und geklönt wird draußen, egal bei welchem Wetter. Wer möchte, kann in der Kapelle zu einer stillen Andacht einkehren und eine Kerze entzünden. Wird der Wind zu stark oder der Nieselregen zu nass, suchen die Gäste auch mal Schutz im Gebäude. Weniger als zwölf "Klönende" sind es nie, doch es standen auch schon 30 Menschen in kleinen Grüppchen zusammen. Der Kaffee wird frisch in der Kapelle gekocht, auch Tee ist im Angebot und am 1. Januar wurde mit Sekt angestoßen. Manchmal bringt jemand Kuchen oder Kekse mit oder ein Pfund Kaffee. Egal ob jung oder älter, einheimisch oder zugezogen, zu Fuß, mit Hund oder Fahrrad, Auto oder Trecker – das Publikum ist bunt gemischt und jeder ist willkommen. Ein einmaliges Angebot in der Region – doch warum wird es so geschätzt?
Andrea Schumacher weiß: "Die Menschen genießen es, an einem Tag im Monat eine Gelegenheit zu haben, sich völlig unverfänglich begegnen zu können – ohne Erwartungen oder Verpflichtungen, ohne Aufwand oder einen finanziellen Beitrag. In unseren Gesprächen erfahren wir, dass es sich durch die Personaleinsparungen im Pfarrbereich für viele so anfühlt, als würde sich die Kirche vor allem hier im ländlichen Bereich zurückziehen und mit den Menschen nichts mehr zu tun haben wollen. Unsere Region ist stark von den Sparmaßnahmen betroffen. Was bleibt dann noch als Verbindung zur Kirche, wenn Hauptamtliche in der Öffentlichkeit kaum noch sichtbar sind? Der Friedhof."
"Und es passt einfach", erklärt Karin Lührs weiter: "Der Friedhof als Verkündigungsort, als Ort zur Bewahrung der Schöpfung, als Ort für Trauer und Freude, für Tod und Auferstehung – der Friedhof als Ort der Begegnung, an dem man einfach mal kurz die Seele wärmen kann, das gehört einfach alles zusammen. In diesen ungewissen Zeiten noch verstärkt."
Und es gibt schon ein neues Projekt, dass der Kirchenvorstand auf diesem Friedhof verwirklichen will: Eine größere Fläche soll mit einer ökologisch wertvollen Hecke eingefriedet und mit Bäumen bepflanzt für naturnahe Bestattungen hergerichtet werden. "Dann können wir in der Zukunft in einem kleinen Park im Schatten der Bäume sitzen, klönen und unsere Seelen wärmen", freuen sich beide. "Und dann könnten wir …", die Ideen sprudeln nur so aus ihnen heraus. Man darf gespannt sein, was die Zukunft dem kleinen Ort und Friedhof noch bescheren wird.