© B. Schwabe. Ausschnitt aus dem Saal des "Apollo Kino", Hannover

Filmbegleitmaterial

Die im Folgenden vorgestellten prämierten Filme wurden im Rahmen des Kirchen-und Kino-Projekts gezeigt, das 2007 in der Fläche der hannoverschen Landeskirche gestartet ist und weiter fortgeführt wird. Sie finden alle Filmbesprechungen der bisherigen Staffeln in alphabetischer Reihenfolge zum Download in der rechten Spalte sowie einen Hinweis zur Verfügbarkeit des Films im Medienverleih.

Filmbesprechungen zum Download

SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE (F/US 2007. Regie: Julian Schnabel)

Dem Film gelingt es, die Perspektive des in seinem Körper eingeschlossenen Kranken einzunehmen. Die Kamera erfindet Bildräume und ungewöhnliche Darstellungsmittel. Der Film ist eine Ermutigung zum Leben im Schatten der ständigen Gegenwart des Todes.

SCHWESTERN (D 2012. Regie: Anne Wild)

Die jüngste Tochter einer durch und durch weltlichen Familie tritt in einen Orden ein. Am Tag ihrer Einkleidung treffen sich alle Verwandten. Warmherzige menschliche Komödie über das Loslassen, unterhaltsam, charmant und nachdenklich erzählt. Dabei werden die Ereignisse visuell wie akustisch von der subtilen Kunst poetisch-stiller Chiffren getragen.

SEEFEUER (I/F 2016. Regie: Gianfranco Rosi)

Der Berlinalegewinner von 2016 zeigt mit ruhigem Blick ein Nebeneinander paralleler Welten im heutigen Lampedusa: Hier der beschauliche Alltag der Insulaner, dort die täglichen Tragödien der übers Meer Geflüchteten. Eine aufwühlende, dokumentarische Reflexion über Mitmenschlichkeit und Ignoranz, eine Metapher für Europa, erzählt aus der Perspektive eines 12-jährigen Einheimischen.

SELMA (US/GB 2014. Regie: Ava DuVernay)

1965 eskalieren in den USA die Rassenunruhen. Der Anführer der Bürgerrechtsbewegung, Martin Luther King, konzentriert seine Bemühungen auf die Stadt Selma, wo die Segregation in vollem Umfang betrieben wird. Packendes Historiendrama, das die Bürgerrechtler als ausdifferenzierte Gruppe würdigt, getragen von der subtilen Interpretation des Hauptdarstellers.

SHOPLIFTERS - FAMILIENBANDE (J 2018. Regie: Hirokazu Kore-eda)

Regisseur Kore-eda zeichnet das sensible Porträt einer eigentümlichen Familie von Dieben und Lebenskünstlern, die ein verwahrlostes Mädchen in ihren Reihen aufnimmt. Der stille Film weitet sich im Verlauf der Erzählung zu einer Reflexion über die Konstitution von »Familie«, die hier als rätselhaftes Geflecht aus Zuneigung und Abhängigkeit gezeigt wird. (Cannes-Sieger 2018)

SORRY WE MISSED YOU (GB 2019. Regie: Ken Loach)

Ein Arbeiter aus Newcastle fängt als selbstständiger Bote bei einem Paketservice an, während seine Frau, eine Altenpflegerin, zugunsten des erforderlichen Transporters auf ihr Auto verzichtet und fortan ihre Klienten mit dem Bus abfährt. Die Illusion unternehmerischer Freiheit zerbricht allerdings schnell an den unfairen und ausbeuterischen Bedingungen. Diese wirken sich bald auch auf seine gesamte Familie aus. Packendes und tief berührendes Drama über die Versprechen der neo- liberalen Arbeitswelt und die Folgen der Selbstausbeutung für die Betroffenen, das durch die Einfühlsamkeit seiner Figurenzeichnung die Erosion des Zusammenhalts in einer Familie erfahrbar macht.

SPOTLIGHT (US 2015. Regie: Tom McCarthy)

Hochkarätig besetztes Drama, das von der Aufdeckung einer systematischen Vertuschung sexueller Missbrauchsfälle durch katholische Priester erzählt. Mit der Konzentration auf die monatelangen Recherchen des investigativen ‘Spotlight’- Teams der Tageszeitung ‘Boston Globe’ im Jahr 2001 ist der Film nicht zuletzt eine Hommage an den klassischen Qualitätsjournalismus.

STYX (D 2018. Regie: Wolfgang Fischer)

Eine deutsche Ärztin segelt auf einem Urlaubstörn alleine über den Atlantik, als sie einem havarierten Flüchtlingsschiff begegnet. Die Seglerin muss entscheiden, ob Sie entgegen der Warnungen der Küstenwache eingreifen wird. Als Kammerspiel auf hoher See konfrontiert der Film mit einem Migrations-Dilemma und zeigt auf, dass Europa die Augen nicht länger verschließen darf.

SYSTEMSPRENGER (D 2019. Regie: Nora Fingscheidt)

Ein neunjähriges Mädchen verweigert sich radikal allen Verhaltensnormen und sorgt in allen pädagogischen Einrichtungen und Pflegefamilien für Wirbel. Hinter den Gewaltausbrüchen werden frühkindliche Traumata vermutet, doch die Helfer in allen Instanzen fühlen sich von der Aggression überfordert. Der sorgfältig recherchierte und in den Hauptrollen überragend gespielte Film will weder anklagen noch urteilen, sondern wirbt mit großer Kraft um Verständnis für ein Kind, das mit extremen Ausbrüchen nach Halt und Geborgenheit sucht. Statt auf ein Sozialdrama setzt die Inszenierung auf die Anteilnahme der Zuschauer, die auch psychisch in das chaotische Erleben der Protagonistin involviert werden.

TAXI TEHERAN (IRN 2015. Regie: Jafar Panahi)

Ein DVD-Händler, zwei Damen mit Fischglas und ein vorlautes Mädchen sind nur einige Gäste, die der mit Berufsverbot belegte Regisseur Jafar Panahi in sein Taxi bittet. Bei der heimlich gefilmten Fahrt durch die iranische Hauptstadt entsteht so mit Witz und Courage ein vielschichtiges Gesellschaftsporträt, das auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde.

THE BROKEN CIRCLE (B/NL 2012. Regie: Felix Van Groeningen)

Eine Tätowiererin und ein Musiker verlieben sich, heiraten und fühlen sich wie im Paradies. Mit sechs Jahren erkrankt ihre Tochter tödlich. Der Film löst die Handlung in Rück- und Vorblenden auf und verbindet die Episoden zu einer Achterbahn der Gefühle. Dabei geht es um Fragen der Theodizee und wie Glück und Unglück aufeinander bezogen sind.

THE FALL (IND/GB/US 2006. Regie: Tarsem Singh)

Ein cineastischer Rausch, der die Zuschauer in Atem hält. Die grandiosen Landschaftsaufnahmen und Spielszenen verdichten sich zu einem Gemälde, das die Gefühle erfasst. Handlungsalternativen und neue Hoffnungen verdrängen am Ende auch jenen Hauch einer »Krankheit zum Tode«, der sich als zentraler existentieller Konflikt des Films offenbart.

THE FATHER (GB 2020. Regie: Florian Zeller)

An Bühnen weltweit feierte der französische Autor Florian Zeller mit »The Father« Erfolge. Jetzt hat er sein Stück über den geistigen Niedergang eines alten Mannes für die Leinwand inszeniert, mit dem überragenden Anthony Hopkins in der Titelrolle. Ein packendes Drama um Demenz und Identitätsverlust, das konsequent aus Sicht der Titelfigur erzählt ist.

THE SALESMAN (IRN 2016. Regie: Asghar Farhadi)

In seinem oscargekrönten Film zeigt sich Regisseur Asghar Farhadi wiederum als der diplomatische Dissident unter den iranischen Gegenwartsregisseuren. Seine Gesellschaftsparabel schildert die Erschütterung des Alltags eines Paares aus dem modernen Bildungsbürgertum, das sich nach einem Überfall entfremdet und massivem sozialen Druck ausgesetzt sieht.

THE WHALE (USA 2022. Regie: Darren Aronofsky)

Der Film erzählt von einem adipösen Literaturdozenten Anfang 50, der sich seiner entfremdeten Tochter wieder annähern will. Mit visuellem Einfallsreichtum gelingt Regisseur Darren Aronofsky ein emotionales Kammerspiel über die spirituelle Reise eines tiefunglücklichen Mannes zu sich selbst, der sich im Angesicht seines nahenden Todes mit falschen Lebensentscheidungen und Versäumnissen auseinandersetzt.

THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI (USA 2017. Regie: Martin McDonagh)

Mit drei Werbetafeln fordert eine Frau die lokale Polizei auf, die Suche nach dem Mörder ihrer 17-jährigen Tochter wieder aufzunehmen. In starken Dialogen greift der schwarzhumorige Film Themen wie Polizeigewalt und Rassismus auf, ohne dabei zu moralisieren. Oscargewinnerin Frances McDormand brilliert in dieser eigenwilligen, tragischen Komödie.

TIMBUKTU (F/Mauretanien 2014. Regie: Abderrahmane Sissako)

Eine Gruppe islamistischer Rebellen besetzt die Oasenstadt Timbuktu in Mali und verhängt ein fundamentalistisches Regelwerk. Anfangs nehmen die Einwohner die Dschihadisten nicht ernst, sondern führen ihr Leben wie gewohnt weiter. Getragen von starken Figuren fängt der lakonische Film meisterhaft die wachsende Erschöpfung eines vormals toleranten Gemeinwesens ein.

TONI ERDMANN (D/A/RUM 2016. Regie: Maren Ade)

Ein pensionierter Vater besucht seine beruflich erfolgreiche Tochter in Bukarest und lockt sie als verkleidete Kunstfigur „Toni Erdmann“ mit derben Späßen aus der Reserve. Mit Seitenhieben auf den postmodernen Kapitalismus und von großartigen Darstellern getragene Vater-Tochter-Geschichte, deren Tonwechsel zwischen Komik, Tragik und surrealen Momenten grandios gelingen.